SUPERBOOKS 3, MUC

Viel Spielraum und ein papierener Turm

Biertische! Es sind Biertische! Es ist das Erste, was mir hier in den Ausstellungssälen der SUPERBOOKS 3 auffällt, sind die Biertische. Na logisch, ich bin hier schließlich in München und was liegt da näher, als Biertische in Ausstellungsmobiliar umzufunktionieren?

Über 50 Ausstellende haben sich am 11. und 12. November 2022 im Haus der Kunst eingefunden. Was sie auf der etwas improvisiert wirkenden Kunstbuch – Messe zeigen, stapelt sich vorrangig auf den weiß lackierten (!) Biergarnituren.

Künstlerischer Spielraum und Bandbreite

Von winzig kleinen Heftchen über frech gefaltete Zines bis hin zu dicken großformatigen Skizzen- und Tagebüchern ist alles dabei, was man sich unter Künstlerpublikationen nur vorstellen kann. Texte, Textschnipsel, Grafik, Illustration, Originale, Drucke – vom einfachen Stempeldruck bis hin zum feinen Layout der meist in kleinen Auflagen, kunstvoll gestalteten Editionen.

Roland Glaser (li.) und Petra Annemarie Schleifenheimer (re.) vor
„Das Superbook“ von Dominik Wendland und Carina Müller

So außergewöhnlich und vielfältig wie sich der papierene Turm “Das Superbook“ von Dominik Wendland und Carina Müller in der Mitte des ersten Ausstellungsraums in die Höhe entwickelt, genau so bunt gemischt sind die Themen und Titel der Künstlermagazine, der Heftchen, Broschüren und Flyer, die sich auf den Tischen an den kahlen Wänden entlang schlängeln.

Begreifbare Kunst

Es macht Freude, in den unzähligen Arbeiten ungestört zu blättern, sich in handschriftlichen Notizen vertiefen, die ähnlich einem geheimen Tagebuch, eine – fast private – Neugier in einem hervorlocken. Bei manchen Werken, Originalgrafiken oder Fotografien, sind die am Eingang angebotenen weißen Handschuhe angesagt. An anderen Ständen wühlt man nahezu in Kartons, Objekten, Katalogen – alles möchte man anfassen, Papier befühlen. Kunst wird begreifbar.

Beinahe vergesse ich die Menschen, die hinter den ausgelegten Blättern und Stapeln sitzen oder in kleinen Grüppchen zusammenstehen. Dabei sind genau sie das Besondere dieser Veranstaltung. Es sind nicht, wie auf den großen Messen üblich, die Repräsentanten, die Manager, die Vertriebler, die PR-Leute. Hier treffe ich schüchtern wirkende Künstler und Künstlerinnen, die richtig aufblühen, wenn sie ihre Arbeiten vorstellen: fantasievolle Kunstpiratinnen, mutige Einzelkämpferinnen, Künstlerkollektive, Studierende und alte Hasen. Letztere laden mit großzügiger Geste ein, ihre „Produktionen“ aus Jahrzehnten zu bestaunen.

Kunst als StadtUtopie und im Karteiformat

Und dann noch, welch Zufall: Aus meiner fränkischen Heimat treffe ich hier Karsten Neumann mit seiner künstlerischen Stadtutopie BETHANG.

Und endlich die Künstlerin, die mich zur Superbooks 3 eingeladen hat: Stefie Steden, von der Kunsthalle Below. Vor ihr liegen sorgsam aufgefächert die schmalen Hefte der sogenannten Parallelprotokolle. Daneben ein prall gefüllter Karteikasten mit einigen Exemplaren der Editionen. Die bislang 486 Texte umfassende Sammlung finden sich in einem schweren Wälzer, der Gesamtausgabe im DIN A3 Format.

Stefie Steden und der AG Minimales Reisen bin ich erstmals 2020 begegnet, als ich eine Residency in der Kunsthalle Below verbrachte. Heute lassen wir die Idee von ihr sozusagen live aufleben und schreiben direkt auf der Superbooks Messe ein Parallelprotokoll.