Würzburg

Bier statt Wein.

Ein alter Backsteinschlot ragt in den blauen Himmel über Würzburg hinauf. Wie ein Ausrufezeichen. Hier gehts zur Kunst! Da oben, am Ende der mit Kopfsteinpflaster belegten Auffahrt, winken rote Fahnen zur Begrüßung. Da will ich hin mit meinem roten Textilobjekt zu einem weiteren Ziel auf unserer Reise durch möglichst viele Gegenden Frankens. Würzburg – ich bin in Unterfranken. Wer jetzt denkt „aha, Unterfranken, Weingegend, Würzburger Stein und so …“ hat nur bedingt recht. 


Wegen der Kunst bin ich hier, nämlich um ein weiteres Souvenir in meine Fäden der Erinnerung, in mein Textilobjekt, einzuknüpfen. Mein Ziel ist allerdings kein Weingut, sondern das ehemalige Gelände einer Brauerei. Vorbei am Siebold – Palais, der ehemaligen Direktorenvilla, in welcher sich inzwischen, neben zwei Museumsgeschossen, auch eine Bibliothek und eine deutsch-japanische Begegnungsstätte befindet, schleppe ich mich in der brütenden Hitze dieses Nachmittags hinauf zu dem beeindruckenden mehrstöckigen Backsteingebäude, das sich als das ehemalige Sudhaus der Bürgerbräu AG herausstellt.

Im Kantinenhaus die Ateliers

Ein weitläufiges Areal tut sich vor mir auf. Teilweise sieht es nach Baustelle aus, teilweise nach modern – renovierten Industrielofts. Im historischen Brauereigelände befindet sich irgendwo, zwischen der ehemaligen Flaschenfüllerei und der Büttnerei, neben Architekturbüros und Praxisräumen eine Bar, ein Programmkino und Studios von Künstlern und Künstlerinnen aller Sparten. In diesem quirligen Kultur- und Kreativzentrum halte ich Ausschau nach dem Gebäude No. 17, dem früheren Kantinenhaus. Ich folge dem Geruch von frischzubereiteten Falafeln und bin mitten drin im bunten Gewusel einer Ateliergemeinschaft. 

Mit meinem Gebilde aus roten Fäden zwänge ich mich durch eine kreischende Kinderschar, die mit Farbklecksen auf Papptellern, sowie allerlei Krimskrams, fantasievolle Figuren aus leeren Plastikflaschen basteln. Ich muss schmunzeln, denke an meine Wolle aus PET – Flaschen, denen ich gerade ein zweites Leben einhauche und das als „Second-Life“ Garn zu meinem Textil Objekt zusammenwächst. Kunststoff Flaschen haben eine Lebensdauer von ca. 500 Jahren.

Ob die bemalten Plastik Figuren der Kinder und mein Objekt, das ich während der BFK-Jahresausstellung 2023 derzeit anfertige, eine ähnliche Lebensdauer haben? Was werden wohl Forscher und Historiker dann zu diesen Fundstücken aus dem frühen 21. Jahrhundert sagen? Wie werden sie diese bewerten? Naiv oder Müll? Oder werden unsere Werke bis dahin zerfallen sein oder zerstört?

K und K in Würzburg? Karawanserei und Kunst!

Meine Gedanken, die soeben noch in die Zukunft gerichtet waren, werden blitzartig unterbrochen, als ich den vor mir liegenden Raum betrete. Wie typisch für die Kunst: Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit vermischen sich. Die Gegenwart knüpft die Fäden, was deutlich wird, als mich die Künstlerin Constanze Hochmuth-Simonetti ganz herzlich begrüßt. Wir sind seit unserem Studium an der Nürnberger Akademie der Bildenden Künste befreundet und stehen nun hier, umgeben von Zeichnungen und Malereien mit Motiven des alten Ägyptens und mit meinem Projekt Souvenir oder die Fäden der Erinnerung.

Constanze Hochmuth-Simonetti  hat mit den Mitgliedern der Kinderkunstschule, zum 20-jährigem Bestehen der sog. JuKu – Karawane, ein fantasievolles farbenprächtiges Ambiente geschaffen. Sie und ihre Kollegin, Birgit Schmidt, entwickelten die Idee für diesen einzigartigen Raum, Bina Bubetz-Krekel unterstützte die beiden bei der Ausgestaltung des Kleinods. Constanzes lebhafter Bericht über die Entstehung und die weitere Nutzung der ‚Karawanserei,‘ ist ein Spiegelbild der kreativen Ideenwelt ihrer Schöpferinnen. Er strahlt die Begeisterung aus, die uns – auch nach arbeitsreichen Jahrzehnten  – als Künstlerinnen immer wieder neu antreibt. 


Mehr über die Arbeit der Künstlerin Constanze Hochmuth-Simonetti