Schweinfurt

Wer kam nur auf diese Idee?

Es ist brodelheiß. Bereits um halb zehn zeigt das Thermometer 32 Grad an, als wir das Parkhaus unter dem Georg Schäfer Museum anpeilen. Richtig, wir sind heute mit dem Auto unterwegs, da unsere Tour später noch Richtung Würzburg weitergehen soll. Überhaupt, wenn wir es uns nicht so ganz fest vorgenommen hätten, wären wir heute lieber ins Freibad oder mit dem Hund an einen See gegangen. Aber, ein MUST GO auf unserem Plan: Schweinfurt, die unterfränkische Stadt, die sich selbst mit dem Titel „Industrie und Kunst“ bewirbt. 

Über den Marktplatz geht kaum jemand. Die Menschen schleichen an den Rändern entlang, unter Vordächern von Läden, dort, wo es geht, im Schatten von Schirmen und Gebäuden. Träge schiebt ein Mädchen Kleiderständer vor Schaufenster. Eimer mit Sonnenblumen und verlockende Tafeln von Eis. An einer Ecke wird ein FabLab geöffnet. Wer kam bloss auf die Idee, sich für ein Projekt in den heißesten Wochen des Jahres zu bewerben?  

Vermehrt Schönes

Der Rossmarkt wirkt verlassen, wenige Bänke sind besetzt. Ein kleiner Brunnen ohne Wasser – oder ist es eine Skulptur –  die silberne Kugel daneben, ein Symbol der hiesigen Kugellager Industrie?
Alles strahlt bedrückende Langeweile aus. Hier brauche ich mich mit meinen roten Knäueln nicht hinsetzen, da wird sich kein Gespräch ergeben und Fotos sind bestimmt auch nicht erwünscht. Es mutet fast schon herbstlich an, unter den roten Schuhen rascheln vertrocknete Blätter. Der heiße Sommer setzt den exakt geschnittenen Platanen zu. Sie bilden ein schattiges Dach über der öden Fläche.

Wahrscheinlich finden wir nur in einem Cafe einen Anknüpfungspunkt für unser rotes Souvenir! Diesem Gedanken folgend, bewegen wir uns Richtung Fußgängerzone, obwohl wir normalerweise auf unserer Tour die aneinandergereihten Filialen der Brillen-, Telefon- und Modefilialen meiden. Der zerfledderte Aufkleber auf einem blauen Hydranten verspricht „Vermehrt Schönes!“. Wenn das kein Zeichen ist.

Der rote Teppich

Mit Folien verhangene Schaufenster, leere Auslagen, bekritzelte Eingänge. Leerstände, wie wir sie in den letzten Wochen häufig in Innenstädten sahen. Ein Mann stellt bunte Stühle vor ein Geschäft. Ein roter Teppich zieht meinen Blick magisch in die Tiefe, zwischen die langen Schaufensterfronten, hin zum Eingang. Und da, links und rechts, hinter den Scheiben? Farbenfrohe Porträts, Aktgemälde, Kinderzeichnungen. Teilweise auf Staffeleien, teilweise in Petersburger Hängung – magisch zieht mich diese Hausnummer 29 an. 

Wenige Minuten später ist klar, daß ich mich in keinem gewöhnlichen Geschäft befinde. Keine Galerie im üblichen Sinne. Ich lerne Gerhard kennen, den Maler, der hier momentan ‚residiert’, an seinen Ölbildern malt und seine Arbeiten präsentiert. Gleich im Eingangsbereich sitzt Kevin Wloczyk, der Filmemacher, in sein Laptop vertieft. Die beiden arbeiten hier in einem Projekt der Stadt, die nicht genutzte Läden monatsweise Künstlern zur Verfügung stellt. Die KunstFABrik Schweinfurt in der Spitalstraße ist eine der vier Angebote. Einblicke und Austausch vermitteln ist das Ziel der Initiative, offene Ateliers und Eventlocation gleichzeitig. 

EVENTS. ATELIERS. AUSTAUSCH.

Obwohl ich mit meinen roten Fäden voll in ein Gespräch hineinplatze, das Gerhard R. Göbel mit interessierten Gästen führt, tauche ich in die Idee die KunstFABrik von schweinfurt-fabulous ein. Die Ideen- und Schaffenswelt des Malers und Schriftstellers, ein weites Feld, ebenso sein Wissen über Meditation. Schnell macht Kevin noch Aufnahmen von uns, bevor gleich eine Delegation der Stadt erwartet wird. 

Auch wenn der rote Teppich nicht nur für mich war, ich bin begeistert und erkenne nun, daß ich vorhin sogar schon an einer der anderen Locations, dem FABLab, vorbei gekommen bin. Sogar an einem Montag, ohne Museumsbesuch, war Schweinfurt diese Reise wert.