Kulmbach

Es ist ein seltsames Gefühl. Ein gemischtes Gefühl. Genau neun Jahre ist es her, daß ich hier, in Kulmbach, das erste Mal an einer Ausstellung teilnahm. Damals, ein kleines Acrylbild unterm Arm, stieg ich skeptisch die gewendelte Steintreppe im Turm der Plassenburg hinauf, um an der Jahresausstellung des BFK teilzunehmen. „Hier bloß niemals mit etwas Großformatigem bewerben …!“ diesen eisernen Vorsatz fasste ich 2014, denn ich bezweifelte, wie man mit einem großen Werk jemals die enge Treppe hoch kommt.

Am 2. Juli 2023 war es soweit. Ein relativ kühler Sonntag. Ich stieg leichtfüßig die Stufen hinauf, lediglich ein paar rote Wollknäuel in meiner Tasche. Meine Arbeit – oder zumindest ihr Anfang – war schließlich schon oben: Souvenir oder die Fäden der Erinnerung. 

Gleich nach den Ansprachen zur Eröffnung war die 94. BFK-Ausstellung von zahllosen Gästen dicht gefüllt. Stimmengewirr und Gläserklirren schon im Turm vernehmbar. Künstler und Künstlerinnen auf der Suche nach ihren Arbeiten. Das Kuratorinnenteam um die 1. Vorsitzende Anita Magdalena Franz, unterstützt von Sandra Groh und Jürgen Stahl, hatte sie liebevoll und sorgsam ausgewählt, zusammengestellt und platziert. Blickachsen und Zusammenhänge, farblich oder thematisch, wurden ablesbar, sobald sich die interessierte Menschenmenge zu einem der nächsten Objekte weiter geschoben hatte. 

Die häufigste Frage

„Und, wo ist denn IHR Objekt?“ Diese, am meisten an mich gestellte Frage, konnte ich am Eröffnungstag schnell beantworten, denn meine Arbeit soll doch erst noch entstehen. Schließlich bin ich ab heute unterwegs mit meiner roten Wolle, auf der Suche nach Souvenirs. Mein Projekt läuft über die gesamte Zeit der Ausstellung und ich werde damit die nächsten acht Wochen in ganz Franken unterwegs sein.

Wie das endgültige Objekt aussehen wird, kann ich noch nicht beantworten, aber ich weiß, daß ich es aus 100 roten Wollknäueln anfertige. Die Anfänge des Objekts, meine Wege aber auch Gedanken dazu, zeigt der Film, der im White Cube, am hinteren und etwas ruhigeren Ende der Ausstellung,  zu sehen ist. Im Lauf der nächsten Wochen werde ich die Videos nach und nach ergänzen, um Orte und Treffen mit Menschen, die mir auf meinem Weg begegnen.

Work in Progress

Bei meiner Arbeit, die hier nicht fertig im Raum steht oder hängt, bleiben also wesentliche Fragen offen. Genau das ist es ,was mich an meinem Projekt fasziniert: Offene Fragen, Zufälle, unvorhersehbare Entwicklungen: „Wann kommen Sie denn nach xxx?“ Manches läßt sich leicht beantworten, anderes noch gar nicht. Spontaneität und Überraschung sind Teil meiner Arbeit. Ebenso wie Empfehlungen, die mich zu neuem Wissen oder neuen Erfahrungen führen. So auch, als ich die Frage einer Kulmbacherin „Häkeln Sie heute noch?“ mit einer hungrigen Gegenfrage beantworten muss: „Wo gibts denn hier ein gutes Wirtshaus?“

Kulmbach liegt nicht an der Kulm

Nachdem unser digitaler Assistent den Weg zur Brauerei angewiesen hat, füllen wir das Warten auf den Sonntagsbraten mit Informationen und Wissen aus dem anderen Helfer. Während einige rote Maschen entstehen  – ja, ich häkle dieses Mal am Wirtshaustisch – lernen wir Einiges über die Plassenburg, ihr Entstehen, ihre Vernichtung sowie deren Wiederaufbau.  Eine gigantische Leistung, insbesondere mit den damaligen Mitteln. Danach erfahren wir Interessantes über den Zusammenlauf der beiden Flussarme dort unten.

Da, wo sich der Rote Main mit dem Weißen Main vereinigt, um zum ‚richtigen’ Main zu werden, da will ich einen roten Faden auswerfen. Bei seinem schlingernden Verschwinden kann man ihn im VIDEO 04 zuschauen und mit uns beobachten, ob und wo wir ihn an einer unserer nächsten Stationen wieder finden.