Helmbrechts

Da müssen Sie hin

Eines muss ich vorausschicken: Helmbrechts lag nicht auf der fränkischen Landkarte in meinem Kopf. Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre es deshalb auch nicht auf unserem Reiseplan dieser acht Wochen gelandet, wenn mich nicht, bei der Eröffnung der Jahresausstellung in Kulmbach, eine Besucherin ganz dringlich darauf hingewiesen hätte. Die Stadt der Häkelkunst! Die Stadt des längsten Schals der Welt! Die Stadt, in welcher das Boshi erfunden wurde. Oder heißt es der Boshi? Die Worte Guiness Buch, Textilmuseum undKulturherbstüberzeugten mich vollends. Da mussten wir hin.

Wimpel, rot-weiß

Farbenfroh bepflanzte Riesen Blumentöpfe säumen den Weg vom Ortseingang, den Riesenbuchstaben anzeigen, bis hin zum Ortsausgang. Dazu bunte Konkurrenz beim Blick in den Himmel, über der Hauptstraße flattern fröhliche Stoffwimpel vor der grauen Wolkenwand, die uns heute in Helmbrechts begleiten sollte.Dazwischen baumeln rot-weiße Fähnchen, der Franken-Rechen.

Ansonsten: gähnende Leere. Es konnte nicht einmal an der Gluthitze liegen, die wir die letzten Tage erlebt hatten. Sind wir einfach zu früh dran? Der Ort wirkt verschlafen, selbst mein schwarz-rotes Souvenir scheint zu gähnen, als ich es vor einem einladenden Cafe´, gegenüber vom Rathaus, aus meiner Tasche ziehe. „Das kann doch nicht alles gewesen sein.“ Diese Liedzeile habe ich im Sinn, während ich mir überlege, wie weit wir doch inzwischen von unserem Ausgangspunkt Fürth entfernt sind. „… jedoch, immer noch Franken …!“

Alles rosa, zwischen Jakobs- und Museumsweg

Was an blauem Himmel und sommerlicher Wärme heute fehlt, machen die freundlichen Menschen wett, denen wir hier begegnen. Zunächst die Inhaberin des Buch-Cafes, die mitreissend von ihrer Idee erzählt. Ein Cafe in dem man Bücher kaufen und bestellen kann, neu oder antiquarisch. Aber vor allem blättern, lesen, schmökern, während einer Tasse Kaffe, die ideale Kombination, wie sie uns begeistert schildert.


Ein klein wenig kann ich selbst noch von unserer Idee, von  Souvenir oder die Fäden der Erinnerung zur Jahresausstellung des BFK erzählen, da schlägt die Turmuhr 10 mal. Jetzt aber hinunter zum oberfränkischen Textilmuseum – ich bin schließlich so neugierig darauf. Versteckt in einer Gasse, behütet von Mützen und anderem skurrilen Häkelwerk, finden wir das rosa Haus, mit zauberhaften rosafarbenen Rosen direkt am Museumsweg: Geschlossen? Wir klingeln, so, wie es auf dem Zettel steht.

Eldorado aus Garn und Wolle

Wenn unser Textilobjekt sprechen könnte, hätte es bestimmt so etwas wie „Hier gehör ich hin, hier will ich bleiben!“ ausgerufen und letztendlich kann ich sogar ein paar Meter von unserem roten Garn im Museum einknüpfen. Das Holzmännla neben dem Sofa trägt jetzt einen Lendenschurz aus PET-Wolle. Während uns der engagierte Herr der Museumsaufsicht sämtliche Leuchten, Displays und Monitore in Gang setzt, komme ich aus dem Staunen nicht mehr raus. Die Geschichte der Textilherstellung entfaltet sich auf mehreren Etagen. Gewebtes, Gestricktes, Gesponnenes. Garne, Spulen, Webstühle. Patchwork, Saris, Schals und immer wieder: rotes Garn.

Ein ganzes Haus voll mit Textilem und allem, was dazu gehört. Das Rezeptbuch für Farbmischungen, erinnert mich an mein ‚Second-Life-Garn, das aus recycelten Flaschen hergestellt wird. Womit es eingefärbt wird, habe ich leider bisher noch nicht heraus finden können.  Bei vielen Stationen werde ich zum Mitmachen aufgefordert und könnte als No. 27177 am längsten Schal der Welt mitweben etwas Patchwork quilten oder eben Fraala und Männla ankleiden. Ein Korb mit Wolle und Schere steht für die Besucherinnen bereit. In Helmbrechts hinterlasse ich aus meinem Projekt ein Souvenir, nämlich rote Fäden der Erinnerung.